Dieses Wort kennt wohl einfach jeder. Dieses Un-Kraut! Nervig. Da habe ich also eine sogenannte typisch deutsche Rabatte und diese ist mit den tollsten Pflanzen aus dem überteuerten Gartencenter bepflanzt. Wow. Einige sind zwar einjährig, aber was soll´s. Hauptsache die Blüten erscheinen riesig, farbenfroh und sind am besten modern gefüllt. Zwischendrin schaut überall unkrautfreie Erde raus. Ja. So muss das sein! Schließlich ist es so „Sitte“. Und am besten wirkt es alles in Reih` und Glied.
Das Beet ist also mit Geranien, Chrysanthemen, Petunien und Begonien bestückt. Und dann! Da schaut ein Löwenzahn raus! Und daneben? Unkraut! Eigentlich heißt es Franzosenkraut und das daneben Wiesenschaumkraut – das weiß nur keiner! Ist ja auch völlig egal. Der Gesinnungsakrobat betitelt es als Beikraut, hat aber auch keine Ahnung was ein Scharbockskraut sein soll. Das gelbe Zeug halt, was den Rasen fürchterlich aussehen lässt.
So betrachtete auch ich meine Rabatten und den Rest meines Gartens. Dann kam das Jahr 2018. Es war heiß, regenarm und die Regenfässer trocken. Es gab noch Ecken im Garten, die ungepflegt und voller Unkraut waren. Als ich dort herumwuselte, stellte ich fest, dass es unter dem ganzen Gestrüpp feucht war. Das brachte mich zum Umdenken. Ich hielt mich wirklich für dämlich. Ist ja klar, ein bedeckter Boden speichert das Wasser besser. Und diese chaotische Ecke wirkte so … natürlich. So wurde mein Interesse geweckt. In den Tiefen meiner Bücherregale fand ich eine kleine Sammlung über heimische Pflanzen.
Als ich mich damit intensiver beschäftigte, eröffnete sich mir eine Welt, die längst vergessen schien. Diese ganzen Unkräuter bekamen Namen. Wunderschöne Namen! Ich lernte, welche essbar waren, welche sich besonders gut im Wein machten, welche mein Gemüse natürlich schützten und welche besondere Geschichten verbargen.
Wir mähten erst einmal weniger Rasen und beschäftigte mich mit Permakultur. Ich musste überall herumkriechen und noch mehr Pflanzen entdecken. Und da geschah Unglaubliches! Unser Garten entwickelte sich plötzlich ein wenig von allein. In meinen wilden Kräutern übernachteten Wildbienen, die Hummeln bauten Nester in von Unkraut bedeckten Ecken, die Ringelnattern kamen zurück und die Vögel labten sich am Samen des Grases. Was mir jedoch besonders auffiel, waren die Geräusche der Dämmerung. Die männlichen Grillen stimmten ein längst vergessenes Musikstück an! Da wir nachts kein künstliches Licht besitzen, hörte es sich wie früher an. Das Zirpen war wunderschön. Außerdem durften die Raupen sich im langen Gras zu wunderbaren Faltern und Schmetterlingen entwickeln. Das Unkraut hat also meinem Garten Leben eingehaucht.
Deshalb schreibe ich eine Hommage zu diesem Thema. Ich hoffe, dass ich deine Wahrnehmung und Sichtweise dazu ein klein wenig ändern kann.
Agrikulturella
